Das Dresdner Wunder-Eck
Für den Freund verkehrstechnischer Besonderheiten haben die Dresdner Stadtteile Blasewitz und Loschwitz gleich mehrere Spezialitäten parat. Zwischen beiden fließt die Elbe, zusammengeklammert sind die Orte durch die Loschwitzer Brücke. Niemand nennt sie jedoch so. Die vom Volksmund geprägte Bezeichnung Blaues Wunder hat fast schon amtlichen Charakter. Umgeben von Gründerzeithäusern, gehört die 1891 bis 1895 errichtete eiserne Auslegerbrücke zu den Sehenswürdigkeiten Dresdens. Dabei empfand man das Bauwerk in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens als Verschandelung der Landschaft und strebte später sogar einen Ersatz aus Stahlbeton an. Auf ihrem Weg nach Pillnitz befuhr bis 1985 auch die Straßenbahn das Blaue Wunder. Auf Blasewitzer Seite lädt direkt an der Brücke am Elbufer der „Schillergarten“ ein. Außer den Köstlichkeiten des Biergartens ist von hier der Anblick vorbeifahrender Schaufelraddampfer zu genießen. Gegenüber hangelt sich eine Schwebebahn nach Oberloschwitz hinauf. Die Loschwitzer Kirche und der Fernsehturm in Wachwitz sind weitere Bestandteile des Menüs. Hier möchte man bleiben. Das dachte sich auch Friedrich Schiller, der bei seinem Aufenthalt 1785 bis 1787 in Loschwitz in der Schenke verkehrte, die seit 1859 mit seinem Namen wirbt. Da es die Brücke noch nicht gab, musste der Dichter mit der Fähre übersetzen. Wo sich heute der Biergarten erstreckt, wurden bis 1898 Schiffe gebaut. Sieben der heute noch neun vorhandenen Dresdner Dampfer entstanden auf der Blasewitzer Werft. Mit diesen Eindrücken geht es über das Blaue Wunder nach Loschwitz. Flussabwärts thronen am Hang drei Schlösser, von denen eins Karl August Lingner gehörte, dem Erfinder des Odol-Mundwassers. Wenige Schritte weiter findet sich – eingeklemmt zwischen Häusergiebeln – die unspektakuläre Talstation der Standseilbahn Loschwitz – Weißer Hirsch. Seit 1895 überwinden die beiden Wagen auf meterspurigem Gleis 95 Meter Höhenunterschied. Das Villenviertel Weißer Hirsch war beliebte Sommerfrische und ein europaweit bedeutender „klimatischer Kurort“ mit mehreren Sanatorien. Das Untergeschoss der schönen Bergstation beherbergt die Maschinenanlage der Bahn. Gleich neben der Standseilbahn bietet Loschwitz eine weitere Bergbahn – die Schwebebahn. Zwischen den Talstationen beider Bahnen liegt ein kurzer Fußweg. Empfehlenswert ist jedoch zuvor eine Schleife ans Elbufer. Direkt am Blauen Wunder verlockt der „Elbegarten“. Auch hier lassen es sich die Gäste unter Kastanien gut gehen. Mit umgelegten Schornsteinen durchfahren Dampfer das Blaue Wunder. Eine besondere Vorstellung geben hier die Schiffe der „Stadtrundfahrt zu Wasser“ der Sächsischen Dampfschiffahrt, wenn sie wenden, um wieder nach Dresden zurückzufahren. Vorbei an kleinen Läden in zum Teil dörflichen Häusern geht es zur zweiten Bergbahn. Goldene Jugendstil-Lettern schmücken die aus grob behauenen Steinen errichtete Talstation der Schwebebahn. Die „Schwebebahn“ ist eine seilgetriebene Einschienenhängebahn. Seit 1901 bringt sie ihre Fahrgäste zuverlässig in das 84 Meter höher gelegenen Oberloschwitz. Die Aussichtsplattform der Bergstation bietet eine Draufsicht dieser geschichtsträchtigen, interessanten Ecke Dresdens. Dazu gehört auch die Loschwitzer Kirche direkt neben der Schwebebahn-Talstation. 1945 zerbombt, war ein Wiederaufbau in der DDR nicht möglich. Bis zum politischen Umbruch erinnerten lediglich eingewachsene Mauerreste an das Gotteshaus. Unweit des Blauen Wunders zeugt es seit 1994 von weiteren Wundern.